EX UTERO

Angela Kopf _ Fairy Grrrls Project _
Performance EX UTERO
Flyer EX UTERO [PDF]

Ausgangspunkt unserer künstlerischen Recherche ist eine Fragestellung in Bezug auf die Kategorien „gesund“ und „ungesund“. Für die Performance EX UTERO haben wir uns mit historischen medizinischen Auffassungen befasst. Davon haben wir uns drei herausgesucht, um sie in einem Triptychon zu präsentieren.

Untersucht wurden:

Der vermeintlich zu feuchte, kalte, missgebildete weibliche Körper

die wandernde Gebärmutter

Hysterie

Diese Konzepte wurden bildnerisch, darstellerisch, sprach und klanglich erforscht. Daraus wurden drei verschiedene zeitgenössische „Portraits“ entwickelt, denen wir einen Ausstellungscharakter verliehen haben. Jeweils ein Portrait wurde im Raum verortet. Wie bei einer Ausstellung wurde das Publikum von einem Ort zum nächsten geführt.

Die Sängerin und Sprecherin Julia Döbele führte das Publikum durch den Abend. Die Führung ermöglichte es Kunst so zu vermitteln, dass sie zugänglicher wurde. Die übliche frontale Struktur einer Theateraufführung wurde aufgebrochen. Das Publikum bewegte sich im Raum, positionierte sich immer wieder aufs Neue. Kurze Impulse machten es möglich das Geschehen einzuordnen. Dabei wurde Raum für eigene Projektionen und Interpretationen gelassen.

Mit den Mitteln des zeitgenössischen Objekttheaters übersetzten Iris Keller und Hanna Malhas die medizinischen Konzepte in eine visuelle Sprache. Julia Döbele erforschte dabei stimmliche Möglichkeiten. So wurde mit Anlehnung an die Wissenschaft, die Bildenden und Darstellenden Künste gespielt. Experimentiert, geforscht, untersucht wurde sowohl mit Objekten und ihren Vorgaben wie auch mit Klang und Stimmräumen.

Dabei interessierten uns folgende Fragestellungen: Inwiefern sind Krankheiten gesellschaftlich und kulturell konstruiert? Welche Funktion übernehmen sie? Welche Rolle spielen dabei strukturelle Elemente, wie z.B. Geschlechts-, Klassenzugehörigkeit, ethnische Zuschreibungen, etc. Wenn die Absurdität medizinischer
Konzepte der Vergangenheit so offensichtlich ist, was erzählt es uns über die „blinden Flecken“ der Gegenwart? Bei dem Portrait zur „Hysterie“ haben wir uns für eine medizinische Bilder Tabelle interessiert. Hierauf zu sehen ist der Ablauf einer hysterischen Krise, aufgeteilt in Vorläufer, epileptische Phase, clowneske Phase, Phase der leidenschaftlichen Gebärden und Phase des ausklingenden Wahns. Sie stammte aus der Nervenklinik Salpétrière die unter der Leitung von Jean Martin Charcot im 19 Jh. die Krankheit Hysterie erforschte. Mit den Mitteln der Hypnose wurde die hysterische Krise wiederholt, choreographiert, perfektioniert. In etlichen Bildern wurde sie festgehalten und ästhetisiert. In Vorlesungen wurde sie vorgeführt, öffentlich zur Schau gestellt. Der Reiz des Spektakels der Krankheit. Es kam zu einer Theatralisierung der Medizin mit Jahrmarktscharakter. Zu dem auch die damaligen visuellen Medien ihren Beitrag leisteten.

Mit ihren Körpern haben sich Iris Keller und Hanna Malhas diese medizinische Bilder-Tabelle zu eigen gemacht. Um dem Publikum diese Tabelle zu vermitteln machte die Regisseurin Angèla Kopf aus den Vorlagen des Originals unzählige Zeichnungen, die in einen kleinen Zeichentrickfilm mündeten. Dieser wurde auf eine der Spielerinnen projiziert.
Damit wurde zusätzlich hervorgehoben wie sehr die Hysterikerin eine Projektionsfläche war. In einer Hypnose Show wurden medizinische Fallbeispiele aus eben jener Zeit nachgespielt, in ihrer Ästhetik, ihrer Ambivalenz und ihrer unverhohlenen Absurdität.

Fotos von Hannelore Kober, Jenny Sprenger Müller, Sergiy Yarmolenko und Angèla Kopf