Taucht euch ins Bad der Lust
Sarah Groiß & Dorothea Lanz für die Freunde der Kunsthalle e.V.
Impulsworkshop
Mit Jugendlichen des Mörike Gymnasiums Göppingen,
KünstlerInnen aus den Bereichen Musik – Theater – Tanz
und der Kunsthalle Göppingen
Inspiriert durch Oskar Schlemmers Entwurf der Wandmalerei
im Bade-Pavillon der Villa Märklin Göppingen
Eine Woche arbeitete die Klasse 9c des Mörike Gymnasiums Göppingen an dem Projekt im Garten der Villa Märklin in Göppingen. Über die drei Medien Tanz, Theater und Musik erschlossen sich die Schülerinnen und Schüler den Ort, die Wandmalerei Oskar Schlemmers und erarbeiteten in einzelnen Workshops tänzerische, theatrale und musikalische Sequenzen, die sie am Ende zu einem Stück zusammenführten.
Projektverlauf:
Die Projektwoche wurde in insgesamt fünf Workshop-Tage aufgeteilt. Am Beginn stand ein Workshop zur Objektorientierung und endete nach drei weiteren künstlerischen Workshops im Bereich Tanz, Theater und Musik mit einem Workshop zur interdisziplinären Zusammenführung der Ergebnisse sowie einer internen Abschlusspräsentation.
1. Workshop-Tag „Objektorientierung“
Zum Auftakt wurden die Schülerinnen und Schüler mit dem begleitenden Lehrer von Sarah-Jamila Groiß, Leitung Kunstvermittlung Kunsthalle Göppingen, in der Schule empfangen. Zu Beginn des Workshops wurde über die Erwartungen an die bevorstehende Projektwoche gesprochen. In kleinen Skizzen visualisierten sie ihre Vorstellungen, Ziele und Wünsche und fanden für ihre priorisierten Erwartungen „Spaß haben“, „Kreativ werden“, „künstlerische Freiheit“, „Teamarbeit“, „das Zusammenwachsen der Klasse“ u.a. jeweils unterschiedliche Vorstellungsbilder. Im Anschluss daran erhielten die Schülerinnen und Schüler in einer PowerPoint Präsentation eine Einführung in das Werk Oskar Schlemmers. Mit den ersten Eindrücken seiner Kunst, seinem Wirken am Bauhaus sowie seinem persönlichen Bezug zu Göppingen begaben sie sich gemeinsam mit Sarah-Jamila Groiß zur Villa Märklin. Dort verschafften sich die Schülerinnen und Schüler einen Überblick über den Garten, das Badehaus und die Wandmalerei Oskar Schlemmers und erhielten eine Führung von Karl-Heinz Vogel, einem Hausbewohner der Villa Märklin. Es erfolgte der erste Arbeitsauftrag: Sie bekamen den Aufgabe, mithilfe des iPad digitale Skizzenbücher anzulegen und sich den Garten fotografisch/zeichnerisch zu erschließen. Mit zugehörigen Leitfragen wie beispielsweise „Welche Atmosphäre strahlt der Ort für dich aus?“, „Welche Details Formen und Farben fallen dir auf?“ entstanden die ersten kreativen Ergebnisse auf dem iPad.
2. Workshop-Tag „Tanz“
Der Objektorientierung folgte am zweiten Tag der künstlerische Workshop“ Tanz“ mit Adrian Turner, Tanzpädagoge Stuttgarter Ballett. Mit den ersten Eindrücken vom Garten erfolgte über den Tanzworkshop eine Vertiefung in die Wandmalerei von Oskar Schlemmer. Nach einem gemeinsamen Warm-Up sprachen die Schülerinnen und Schüler über die Darstellung der menschlichen Figur sowie über Raum, Form und Zeit als die drei wesentlichen Faktoren in der Malerei Oskar Schlemmers. Die Klasse teilte sich im Anschluss daran in drei Gruppen auf und transformierten die Begriffe Raum, Form und Zeit durch Impulse von Adrian Turner in tänzerische Sequenzen. Für die Inszenierung und Aufführung der drei choreografierten Phrasen, dienten ihnen das Badehaus, der Weg vom Badehaus zum Pool, sowie der Pool selbst. Entsprechend der drei Bergriffe Raum-Form-Zeit bildeten die drei ausgewählten Orte einen Rahmen für die gemeinsame Aufführung. Die Gruppe „Raum“ tanzte im Badehaus, die Gruppe „Form“ auf dem Weg zum Pool und die Gruppe „Zeit“ im Garten. Am Ende des Workshops stand als Ergebnis eine kleine Choreografie.
3. Workshop-Tag „Theater“
Nachdem sich die Schülerinnen und Schüler mittels Tanz der Darstellung der menschlichen Figur in Raum, Form und Zeit gewidmet hatten, wurde im Theaterworkshop von Dorothea Lanz, freie Theaterpädagogin, das Thema der „menschliche Figur“ noch einmal aufgegriffen. Nach einem Raum-Lauf zur Vorbereitung auf den Workshop erhielten die Schülerinnen und Schüler die Aufgabe, sich mit den fünf Figuren aus der Wandmalerei näher zu beschäftigen. Über Fragen wie „Welche Geschichte haben die Figuren“, „Was denken sie“, oder „Welche Charaktereigenschaften haben sie“ erfolgte der Übergang zum Creativ-Writing. Hierfür wurden sie in Arbeitsgruppen aufgeteilt. Jeder der Schülerinnen und Schüler erhielt ein DIN A4 Blatt und verfasste darauf einen Satz über eine ausgewählte Figur aus der Wandmalerei in der 3. Person Singular. Im Uhrzeigersinn wurden die Blätter weitergegeben und nach der Methode des Cadavre Exquis das DIN A4 Blatt umgeknickt. Ziel war es hierbei, kollektive Texte zu den Figuren des Bildes zu schreiben und durch das Zufallsprinzip eine innere Stimme zu ihnen zu entwickeln. In der Präsentation wurde schließlich mit der Gruppe der Assoziationsraum und die
Wirkung der entstandenen Texte ausgelotet und anschließend der Versuch unternommen, experimentell mit ihnen umzugehen. Dafür verteilten sich die Schülerinnen und Schüler am Beckenrand, wählten ihre Lieblingssätze aus und brachten sie über das Vorlesen in eine performative Lesung.
4. Tag
Am vierten Tag erfolgte im Musik-Workshop mit Thea Soti, Sängerin und Klangkünstlerin, eine thematische Öffnung zum Gesamtraum des Gartens. Die Klasse erhielt Zuwachs von weiteren vier Schülerinnen und Schülern aus dem Schulorchester. Nach einigen Aufwärmübungen, in denen die Schülerinnen für Töne, Klänge und ihre eigene Stimme sensibilisiert wurden, improvisierten sie mit kurzen und langen Tönen Melodien, Luft- und Phantasiegeräusche. Zurück im Garten erhielten sie schließlich den Auftrag, alle Geräusche des Ortes wahrzunehmen. Mit Leitfragen wie „Welche Geräusche spielen sich im Bild ab“ wurde die Wandmalerei Oskar Schlemmers in die Spurenlese einbezogen. In Gruppen erarbeiteten die Schülerinnen und Schüler schließlich Texte und Melodien für ein Hip-Hop Lied, erstellten Samples aus den Geräuschen des Gartens, transformierten sie zu einem Techno-Track und schlugen so eine Brücke zur aktuellen Musikkultur. Zusammen mit der Orchestergruppe, die ein freies Stück auf ihren Instrumenten komponierten, ergab sich ein vielseitiges Hörspiel und eine interessante neue Interpretation des Gartens. Mit der dabei entstandenen Idee der Schülerinnen und Schüler, im Garten eine Poolparty zu inszenieren, erhielt der Workshop eine überraschende Wende hinsichtlich der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Ort. Für Schüler wurde die Idee der Poolparty zur Motivation, seinen Track für den Abschlusstag außerhalb der Schulzeit fertigzustellen.
5. Workshop-Tag „Abschlusspräsentation“
Die Durchführung fand gemeinsam mit allen Workshop-Leitern statt und die Ergebnisse der letzten Workshop-Tage interdisziplinär verschränkt. Während einer Aufwärmphase wurden noch einmal drei Übungen aus den Bereichen Tanz, Theater und Musik durchgeführt und die Schülerinnen und Schüler so in Erinnerung an die Ereignisse der vergangenen Tage gebracht. Im Anschluss wurden die Ergebnisse aus den einzelnen Workshops präsentiert und gemeinsam reflektiert. Die Schüler erhielten die Aufgabe, in Gruppenarbeit und in freier Form drei Aspekte/Ideen aus den Workshops der vergangenen Tage miteinander zu verschränken. Jede Schülergruppe löste die Aufgabe individuell und es entstanden im Ergebnis unterschiedliche Stücke, die – ähnlich der Tanz-Aufführung im Bereich vom
Badehaus zum Pool – präsentiert wurden. In einer abschließenden Reflexionsrunde wurden die Zeichnungen zu den Erwartungen am Anfang des Projektes erneut gesichtet und diskutiert. Mit dem Ziel zur Affirmation wurde darüber diskutiert, in welcher Form und an welchen Stellen ihre Erwartungen erfüllt wurden. Ein positives Feedback erfolgte über die Ausdrucke und Fotos der Ergebnisse auf dem iPad. Jeder einzelne Schüler hatte bereits am ersten
Tag einen individuellen Blick auf den Garten der Villa.
Fazit:
In fünf Tagen begaben sich die Schülerinnen und Schüler fernab vom Schulalltag in einen künstlerischen Prozess. Der Garten der Villa Märklin wurde mit seiner
magischen Ausstrahlung zum täglichen Veranstaltungsort und das Badehaus mit der Wandmalerei Oskar Schlemmers Teil einer sinnlichen, tänzerischen, musikalischen und theatralen Neuinterpretation.
Die Schülerinnen und Schüler ließen sich auf die künstlerischen Disziplinen ein und brachten dabei stets ihre eigenen Sichtweisen und Erfahrungen mit in die
Workshops. Die Zwischen- und Endergebnisse waren überraschend, mutig und individuell. Besonders hervorzuheben ist in diesen Zusammenhang die Idee der
„Poolparty“. An einem ruinenhaften, unbelebten Ort mit einem stillgelegten Pool kann sie in theatraler und inszenierter Form eine künstlerische Qualität entfalten: Die „Poolparty“ könnte somit im nächsten Jahr einen konzeptuellen Rahmen für die Entwicklung der performativen Ausstellung im Garten bilden.
Über das künstlerische Ergebnis hinaus entwickelte die Klasse über die Woche einen besonderen Ehrgeiz. Die freiwillige Weiterbearbeitung des Soundtracks überraschte und war neben anderen auch eines der Highlights der Projektwoche. Besonders positiv zu beobachten war das gute Gemeinschaftsgefühl, das die Klasse im Laufe der Woche entwickelte und dass die Schülerinnen und Schüler bereit waren, in immer in neuen Gruppenkonstellationen zu arbeiten. Sie verließen ihre „Komfortzone“ und wuchsen an manchen gestellten Aufgaben über sich hinaus.
Das Thema „Komfortzone verlassen“ wurde in der Reflexion auch an das Team der künstlerischen Leiter herangetragen. Eine künstlerische Form erhält das Projekt auch insbesondere durch die Sprache der Jugendlichen. Diese kann sich in ihrer Authentizität nur dann entfalten, wenn die Workshop-Leiter offen dafür sind, ihre eigenen Vorstellungen und Erwartungen an das Ergebnis aufzugeben. Im kommenden Jahr soll daher dem ästhetischen Ausdruck der Jugendlichen ein noch größerer Stellenwert beigemessen werden.
Sarah-Jamila Groiß, Leitung Kunstvermittlung Kunsthalle Göppingen
Datum: 15.11.2019