inside outside
SOZPÄDAL E.V.
Projekt: inside outside
Homepage: www.sozpaedal.de→
Kunststudierende und Personen ohne Wohnung treffen sich seit 2017 wöchentlich regelmäßig zur gemeinsamen künstlerischen Arbeit, die für die Studierenden ein Weg aus dem Atelier in die Öffentlichkeit, für die Wohnungslosen hingegen ein Weg aus dem öffentlichen Raum in ein temporäres Atelier ist. In diesem Raum-Zeitfenster werden Kommunikationsformen und Ausdrucksmöglichkeiten der Lebensformen der Beteiligten aus beiden Zielgruppen erkundet, die zwei überraschende Gemeinsamkeiten aufweisen: Die Konkurrenz um urbanen Wohnraum im untersten Preissegment und Erfahrungswissen über gesellschaftliche Ausschlussmechanismen. – Die Studierenden übernehmen methodisch und logistisch Verantwortung in der Gestaltung der Situationen und beraten individuell in künstlerischen Fragen. Dabei begegnen sie unvorhersehbaren künstlerischen Äußerungen, lernen biographische Brüche und deren Hintergründe, gesellschaftliche Ausschlussmechanismen und den – oft kreativen – Umgang der betroffenen Personen damit kennen. Im Zentrum steht die Praxis, nicht die Deutung: Weder die Kunst noch die Situation der Begegnung werden instrumentalisiert. Die Projektpartner*innen erfahren in der Formung von Materialien und Situationen Selbstwirksamkeit, die einerseits in den künstlerischen Arbeiten und andererseits in der (gelebten sozialen Plastik der) Verlaufsgestaltung Realität wird: die künstlerischen und methodischen Strategien werden bottom-um entwickelt. Methodisch geschieht dies
- durch achtsame Moderation während der Treffen,
- das in allen Lehrveranstaltungen vermittelte Konzept einer responsiven Kunstdidaktik: in den Resultaten lesen und Schlüsse für sich und andere daraus ziehen,
- unterstützt und vertieft durch schriftliche Memos an die Studierenden der Dozentin nach Schlüsselsituationen, außerdem
- Reflexionsrunden mit den Studierenden und
- zukunftsgewandte Werkgespräche in der Runde aller Teilnehmer*innen.
Drei Konzepte haben auf diesem organischen und demokratischen Weg unter der konsequenten Prämisse des Sich-Mischens aller Beteiligten langfristig einen zentralen Stellenwert ausgebildet:
- Methodische Infragestellung des Nicht/Könnens: Zum einen wird der Satz „Ich kann nicht zeichnen/malen/plastizieren“ von Kunststudierenden und Wohnungslosen gleichermaßen verwendet und kann in der Wanderung durch alle gängigen künstlerischen Medien u. a. durch wahrnehmungstheoretisch fundierter Vorgehensweisen wie zeitlich limitierte oder kollaborative Zeichenstrategien, das Aussetzen der Händigkeit, den Einsatz von Spiegeln, Kameras, Projektionen, Kopien, collagierender Verfahren etc. unterlaufen werden, zum anderen führt die Frage nach dem, was man denn (statt dessen) kann, zur Entdeckung von nachhaltig in den Projektverlauf einfließenden Kompetenzen, die bislang einfach nicht dem jeweils eigenen Kunstbegriff zugeordnet waren wie z.B. der Umgang mit Textilien.
- Porträt als wiederkehrender Bezugspunkt: Entdeckt aus dem gemeinsamen Wunsch, sich gegenseitig genauer ins Gesicht zu sehen, findet die Praxis des Porträts in verschiedenen künstlerischen Medien Eingang in jeden Projektturnus. Für sämtliche Beteiligten erweist sich dies nicht nur als Vergewisserung und Dokumentation einer Entwicklung und Reifung, sondern auch als – in Einzelfällen erschütternde – Konfrontation mit der Vergänglichkeit des eigenen Körpers wie jener eines sozialen Gefüges.
- Egalitäres Kuratieren. Die Resultate der Kooperation werden regelmäßig durch Ausstellungen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Gemeinsam werden die Arbeiten ausgewählt und für die Präsentation aufbereitet, werden Räume ausgelotet und Hängekonzepte ausgehandelt, alle anstehenden Arbeiten ausgeführt und die Vernissage vorbereitet. Die Arbeiten werden allein unter dem Gesichtspunkt ihrer ästhetischen Überzeugungskraft als ernstzunehmende künstlerische Arbeiten präsentiert. Es gibt keine Unterscheidung in „outsider-art“ und „akademische Kunst“. Im Feld des Visuellen ist Augenhöhe (im Wortsinn) möglich.