»Briefgeheimnis«

Städtische Galerie Ostfildern
Vermittlungsprojekt: »Briefgeheimnis«

Weiterführende Informationen:
Städtische Galerie Ostfildern
Ausstellung „Maßstäbe“

Das Stadthaus Ostfildern feierte 2022 sein 20-jähriges Jubiläum. Ein besonderer Anlass für eine herzliche Einladung: Der Architekt J.MAYER.H war zur Präsentation seiner Werke zu Gast im eigenen Haus. Vom 23.10.2022 bis zum 24.01.2023 zeigte er in der Städtischen Galerie Ostfildern seine Werke in der Ausstellung: »J.MAYER H.-Maßstäbe«
Diese gab Einblicke in das aktuelle künstlerische Schaffen von J.MAYER H., das sich an den Schnittstellen von Architektur, Kunst, Design und Kommunikation bewegt.

Da das Stadthaus ein Haus für die Bürgerinnen und Bürger Ostfilderns ist und ein Jubiläum mit großen und kleinen Menschen begangen werden soll, haben sich Galerieleiterin Holle Nann und Kunstvermittlerin Dr. Beate Susanne Wehr etwas ganz Besonders für die Projektbeteiligten vierter Grundschulkassen ausgedacht:

»Briefgeheimnis« ist ein Vermittlungsprojekt, das die Haltung und den Gestaltungswillen von J.MAYER H. erfahrbar, nachvollziehbar und begreifbar macht. Ausgangspunkt bilden die »Data Collagen« von Jürgen Mayer H., um einen Bogen zu seinem vielschichtigen Schaffen zu spannen und seine inhaltlichen Überlegungen sichtbar zu machen.
So wurde bei der ersten Veranstaltung eine spielerisch moderierte Werkbetrachtung der Collagen angeboten, um die visuelle Wahrnehmung und die Entdeckungsfreude der Kinder anzuregen und sie zum Mitmachen zu motivieren: Das bedruckte Innenfutter von alltäglichen Briefumschlägen mit geheimnisvollen Buchstaben-, oder Zahlenfolgen mit 3D Effekt, wie auch die Materialbeschaffenheit, werfen Fragen auf und regen zum eigenen Interpretieren und Denken an. Jürgen Mayer H. sammelt seit vielen Jahren derlei Umschläge als Metapher für »Kommunikation«, die ja bereits in seinem ersten gebauten Entwurf des Stadthauses eine wichtige Rolle spielt. Er prägt zudem den Begriff der »Building Envelope«, einer Gebäudehülle, die das Innere schützt und vergleicht das Stadthaus mit einem Briefbeschwerer für den neu entstandenen Retortenstadtteil Scharnhauser Park.

Der nächste Schritt der Kinder war eine Praxiseinheit. Hier konnten sie Materialien erproben, kombinieren, begreifen und verstehen. Das Gestalten der eigenen Data Collage mit Briefumschlägen, Papieren, Abstandhaltern und Farben förderte das formale und inhaltliche Verstehen des Gesehenen sowie das Selbstbewusstsein, etwas Eigenes zu gestalten.
In der folgenden Woche trafen sich die Kinder und viele Eltern zur Ausstellungseröffnung »J.MAYER H.-Maßstäbe« in der Galerie um die Kunst in »echt« zu sehen, zu erleben und Teil einer Ausstellungseröffnung zu sein. Viele von ihnen waren noch nie bei einer Vernissage und wollten den Künstler Jürgen Mayer H. persönlich treffen. Schnell bemerkten die Kinder, dass bei einer Vernissage viele Leute zu Besuch kommen und dass kaum Platz ist, Kunst zu betrachten.

Dies änderte sich beim nächsten Veranstaltungstermin, der ganz im Zeichen des Erkundens der Ausstellung und des Stadthauses stand. Nach einer kurzen Einführung zur Ausstellung konnte die Schulklasse Exponate und Videos in Ruhe betrachten, da die Galerie nur für sie geöffnet war. Anschließend nahmen die Kinder an einem eigens ausgearbeiteten Suchspiel im Stadthaus teil. In Kleingruppen machten sie sich anhand von Fotos auf die Suche nach unterschiedlichen Orten im Gebäude. Diese zeigten »verschlüsselte Zeichen der Kommunikation«: Einen Teppich mit spezifischen Datensicherungs-Mustern im Obergeschoss, ein Postfach mit verschlüsselten Ziffern und anderes mehr. Dabei war es unerlässlich, dass die Kinder miteinander und mit dem Gebäude in Kommunikation traten – ganz im Sinne des Architekten J.MAYER H. Sie entdeckten dabei viele Zusammenhänge mit den »Data Collagen«, die ja ebenfalls Datensicherungsmuster, verschlüsselte Zeichen der Kommunikation aufweisen.

Im Zeitalter digitaler Medien ist das »Briefe schreiben« leider beinahe aus der Mode gekommen. Dieses Kommunikationsmittel stand bei der nächsten Veranstaltung im Mittelpunkt. Die Überlegung dazu war, dass Menschen, die sich alleine oder einsam fühlen, sich über einen Brief, eine Kommunikationsaufforderung von außen, freuen. Doch was bedeutet einsam oder allein sein? Um diese Fragen bildlich begreifbar zu machen, konnte jedes Kind eine Kunstpostkarte auswählen und seine Assoziation oder Geschichten anhand der Abbildung erzählen.

Nach einem philosophischen Diskurs schrieben alle Kinder auf eigenem, mit ihrer selbst geschaffenen »Data Collage« bedruckten Briefpapier, eine Einladung für die Ausstellung »J.MAYER H.-Maßstäbe«. Diese adressierten sie an Menschen aus ihrem Umfeld, von denen sie dachten, dass sie einsam oder alleine sind, und sich über diese Kommunikationseben freuen würde.

Nun sind die Kinder Experten! Sie haben neue Kenntnisse und Erfahrungen über die Kunst von J.MAYER H. gesammelt, haben kommuniziert, ihre Wahrnehmung geschärft, Empathie geschult, sind selbst gestalterisch aktiv geworden und haben eine Brücke zu ihrer eigenen Lebens- und Erfahrungswelt unmittelbar erlebt. Der von ihnen gestaltete Ausstellungsrundgang bei der Abschlussveranstaltung mit den Gästen bildete das Highlight des Projektes und sollte zeigen, wie vielfältig und spannend die Kunst von J.MAYER H. kommuniziert werden kann.

Die Feedbackbriefe zum Ende des Projektes runden das Bild ab.