Sprachförderprojekt zur Ausstellung „zu viel blau wird schnell Nacht“ von Fabian Treiber

Institution: Städtische Galerie Ostfildern
Projekt: Sprachförderung vor den Originalen – Kunst kommt von Können …

Weiterführende Informationen:
Städtische Galerie Ostfildern →
Ausstellung „zu viel blau wird schnell Nacht“ von Fabian Treiber →
Fabian Treiber →

Die Städtische Galerie Ostfildern

Grundgedanke

Kunst kann unseren Blick schärfen, Phänomene des Alltags und Themen, die uns betreffen, in den Fokus rücken und so einen Bezug zur eigenen Zeit und zum Ort schaffen. Die Städtische Galerie Ostfildern möchte die öffentliche Diskussion darüber anregen. Sie sieht sich in diesem Kontext als Vermittlerin zwischen Kunst, Künstlern und Bürgern vor Ort.

Lage im Scharnhauser Park

Dieser Anspruch wird bestärkt durch die Präsenz der Galerie im preisgekrönten Stadthaus im Scharnhauser Park. Es ist das Zentrum für alle Bürgerbelange, als Ort der Begegnung, der Kommunikation und des Austausches.

Der jüngste der insgesamt sechs Stadtteile feierte 2015 sein zehnjähriges Jubiläum. Dem Modellstadtteil, errichtet auf ehemaligem Kasernengelände, kommt eine zentrale Rolle im Prozess der Stadtwerdung und der entsprechenden Identitätsfindung zu. Viele junge Familien siedeln sich hier an – der Scharnhauser Park ist ein Stadtteil im Aufbruch.
Die Städtische Galerie trägt dazu bei, jene Identität zu stiften, aus der Gemeinsamkeit und Integration entstehen.

Kunst (be)wirkt …

Kunst interpretiert unser Dasein, kann Wahrnehmung verändern, stellt Fragen. Kunst ist Kreativität, Lebensqualität, verbindet Menschen und Gruppen, schafft Gemeinsamkeit. Kunst ist der Katalysator für die Förderung der gesellschaftlichen Kreativpotenziale. In rund vier wechselnden Ausstellungen jährlich wird der Kunst in der Städtischen Galerie dazu die Möglichkeit gegeben.
Als visuelles Medium kann Kunst Kommunikation anstoßen und helfen, sprachliche und kulturelle Barrieren zu überwinden. Sie schafft Anlässe für gemeinsame Gespräche über das Gesehene und Empfundene kann so die Basis für ein Miteinander bilden.

Die Ausstellung

Fabian Treiber: zu viel blau wird schnell Nacht

Der Stuttgarter Künstler Fabian Treiber präsentiert Malerei, die architektonische Ein- und Ausblicke mit Darstellung von Landschaft verbindet. Einzelne Gegenstände, Spuren menschlicher Anwesenheit werden kombiniert mit Ideen von Landschaftsräumen, Pflanzen, Gräsern, Gewächsen. Mit seiner ganz eigenen Bildsprache erzeugt er eine surreal anmutende, geheimnisvolle und spezifische Atmosphäre. Diese ermöglicht es den Betrachterinnen, eigene Lesarten zu entwickeln und die Bildwelten zu Projektionsräumen für eigene Assoziationen, Interpretationen und Geschichten zu machen. Gezielt platzierte flächige Bereiche erwecken den Eindruck von Weite und Unendlichkeit. Präzise gesetzte lineare Darstellungen geben dem Auge Halt, gliedern die Flächen und lassen uns mit den Augen gewissermaßen in die Details zoomen. So erscheinen die Bilder gleichzeitig flach und tief, sind flächig und ornamental zugleich. Sein Farbspektrum vermittelt den Eindruck von Leichtigkeit, es bewegt sich im Bereich der Pastellfarben, wirkt leicht und klar. Fenster, Türen und Treppen markieren die Schwelle zwischen innen und außen und dennoch bleiben die Grenzen fließend und offen für Um- und Neudeutungen. Es gibt keine Festschreibungen. Alles ist im Fluss, ist in Bewegung, verwandelt sich. Fabian Treiber schenkt uns neue Blicke auf das, was wir zu kennen glauben.

Das Projekt

Grundgedanken

Auch Ostfildern sieht sich durch die tragischen politischen Entwicklungen der letzten Jahre vor die gesamtgesellschaftliche Herausforderung gestellt, Familien zu helfen, bei uns eine neue und sichere Heimat zu finden und sich im buchstäblichen und übertragenen Sinn zurechtzufinden in einer Realität, die vor wenigen Jahren noch völlig undenkbar schien.

Als städtische Institution möchte auch die Städtische Galerie Ostfildern ihren Teil dazu beitragen, besonders die betroffenen Kinder und Jugendlichen bei ihrem „Ankommen“ in Ostfildern und ihrer neuen Realität zu unterstützen.

Als visuelles Medium kann Kunst Kommunikation anstoßen und helfen, sprachliche und kulturelle Barrieren zu überwinden. Sie schafft Anlässe für gemeinsame Gespräche über das Gesehene und Empfundene und kann so eine fruchtbare Basis für ein gutes Miteinander bilden.

Im Gesehenen (vermeintlich) Bekanntes zu entdecken, mit Ungewohntem konfrontiert zu sein, Dinge in neuen Zusammenhängen wahrzunehmen, andere Perspektiven einzunehmen und seine Ausdrucksfähigkeit und das Sprechen vor der Gruppe zu trainieren, stellen besonders für Jugendliche wichtige Kompetenzen dar, auf die sie auch in anderen Bereichen ihres Lebens zurückgreifen können und müssen.

Das Verbessern ebendieser Fertigkeiten war das Ziel unseres Projekts, an dem insgesamt 13 Schülerinnen und Schüler aus Vorbereitungsklassen des Heinrich-Heine-Gymnasiums und der Erich-Kästner-Gemeinschaftsschule aus Ostfildern teilnahmen. Die Kinder sind zwischen 10 und 14 Jahre alt und bis auf ein türkischsprachiges Mädchen alle ukrainische MuttersprachlerInnen.
Die Gruppe hat in insgesamt 10 Sitzungen à 90 min anhand unterschiedlicher Aspekte der gezeigten Bilder Wahrnehmen, Reflektieren, Sprechen und künstlerisches Darstellen erprobt und praktiziert.

Verlauf des Projekts

In unserer ersten Sitzung lag der Fokus auf dem gegenseitigen Kennenlernen, der räumlichen Erkundung der Städtischen Galerie und dem ersten gemeinsamen Besuch der Ausstellung.

Nachdem die Gruppe erste Infos erhalten hatte zur Arbeit der Städtischen Galerie führten wir gemeinsam eine Schreib- und Sprechübung durch, bei der die Kinder anhand einer bebilderten Mindmap ihnen bekannte Begriffe zu „Kunst“ notieren und anschließend präsentieren sollten. Diese erste Übung diente dazu, den Sprachstand der TeilnehmerInnen einzuschätzen, um die künftigen Sitzungen entsprechend anpassen und gestalten zu können.

Zum Warmwerden und Auflockern der Stimmung folgte eine Zeichenübung, bei der man jeweils einen Partner aus der Gruppe zeichnen sollte, ohne auf das Papier zu sehen. Die entstandenen Porträts sorgten für viele Lachmomente und eine gelöste Stimmung.

Im Anschluss besuchten wir gemeinsam die Ausstellung und die Kinder betrachteten die großformatigen Gemälde Fabian Treibers. Sie fanden zahlreiche Anknüpfungspunkte und konnten so auf ihrem individuellen Sprachstand das Gesehene und Empfundene zum Ausdruck bringen und der Gruppe mitteilen.

In Collagetechnik erstellten die Kinder in Anlehnung an das Gesehene eigene Landschaften und erprobten unterschiedliche Gestaltungsmittel, um den Eindruck von Räumlichkeit und Tiefe zu erzeugen:

In den nächsten Sitzungen folgten immer wieder auch schriftliche Übungen, bei denen die Kinder u.a. unterschiedliche Gemälde aus der Ausstellung beschreiben sollten.

Bei einer anderen Übung bekam die Gruppe Abbildungen berühmter Kunstwerke (z.B. Der Schrei von Edvard Munch, Das Mädchen mit dem Perlenohrring von Jan Vermeer, Sternennacht von Vincent van Gogh usw.) die sie sich gegenseitig in Partnerarbeit auf Deutsch beschreiben sollten. Nach diesen Beschreibungen zeichneten die Partner, ohne das Bild gesehen zu haben, die Kunstwerke und sollten erraten, um welches es sich handelte. Auch hier hatten die SchülerInnen viele lustige Momente angesichts ihrer Zeichnungen, die oft unerwartet anders geraten waren, als das zugrundeliegende beschriebene Kunstwerk.

In einer der folgenden Sitzungen beschäftigten sich die Kinder genauer mit den Bildwelten von Fabian Treiber. Nach einer eingehenden Betrachtung sollten sie sich in Gruppen eine Geschichte ausdenken, die sich in jeweils einem der Bilder ereignet haben könnte. Mit Hilfe ihrer Notizen trugen sie ihre unterschiedlichen Geschichten (z.B. Krimi, Märchen, Gruselgeschichte, Tagebucheintrag usw.) vor der Gruppe vor.

Im weiteren Verlauf des Projekts gestalteten die SchülerInnen nach einer detaillierten Bildbeschreibung von einer Herbstszene im Freien ihr individuelles Bild in Farbe. Ziel war es, möglichst alle beschriebenen Details und Farben korrekt darzustellen:

In den beiden letzten Sitzungen tauchten wir noch tiefer in die Bildwelten Treibers ein. In ihnen existieren widersprüchliche Zustände zeitgleich: So kann es Tag und Nacht gleichzeitig sein, der Wind in konträre Richtungen wehen, sich in einem See ein Strudel aus Wolken bilden. Ausgehend von diesen bühnenbildhaften Szenerien lasen wir gemeinsam die Geschichte „Das Blaue Königreich“, das die verschiedenen Bildelemente Treibers aufgreift und von einer fantastisch-mythischen Welt handelt, in der die hiesigen Naturgesetzte außer Kraft gesetzt sind.

Bevölkert wird dieses Reich von verschiedenen Wesen, die unter anderem das Licht, die Flora, das Wasser, Schatten und den Wind kontrollieren können.

Nach Beschreibungen dieser Wesen entwarfen die Schülerinnen und Schüler eigene Illustrationen der Figuren, die im Blauen Königreich, also Treibers Bildern, leben und um sein Fortbestehen kämpfen:

Ausgehend von den Illustrationen der Kinder ist eine KI-basierte Animation geplant, die aus den statischen Bildern bewegte Figuren vor dem Hintergrund von Treibers Gemälden machen soll.